Schon vor Tagen hatten wir eine schriftliche Einladung in arabisch und deutsch an die "Musikkinder" verteilt, mit der Hoffnung, die Eltern zu erreichen. Der Elternnachmittag sollte nach der Musikstunde am Freitag stattfinden und Asia und Steffi von der Leitung der Malteser, sowie Petra aus dem Erzieherteam wollten ebenfalls vorbeischauen. Wir waren gespannt, wieviele Familienangehörige kommen würden. Der Raum sollte ihnen bekannt sein, denn während der Musikstunden finden häufig Störungen durch die Eltern statt. Das war auch mit ein Grund für die Einladung. Wir wollten ein paar offizielle Regeln etablieren (d.h. vor allem ich wollte das - Rafah spricht arabisch und hat keine Verständigungsprobleme).
Das stand auf meinem Papier:
Pünktlich zum offiziellen Beginn unseres Treffens standen zwei Mütter vor der Tür. Wie sich herausstellte, waren es genau die Frauen, deren Kinder keinerlei Probleme machen; sie kommen gerne und machen voller Begeisterung mit. Meine Liste habe ich deshalb gleich wieder weggepackt. Statt dessen haben wir die Zeit genutzt und die Frauen gefragt, welche Erwartungen sie an das Musikprojekt hätten. Heraus kam vor allem die Sorge darüber, dass nach den vielen Monaten noch immer kein Schulbesuch in Aussicht wäre.
Charlottenburg hat viele große Flüchtlingsunterkünfte und allein im ICC sind hunderte von Kindern. Diese Organisation ist eine große Herausforderung für die Behören. Ich habe aber auch meine Bedenken geäußert, dass es für die Familien sehr viel Mitarbeit bedeuten würde, die Kinder täglich für die Schule fertig zu machen. Im ICC laufen die Kinder barfuß oder in Badelatschen, zum Teil nur halb angezogen herum. Was weiter kein Problem ist, weil es wirklich warm im Gebäude ist. Der Tagesrhythmus der Bewohner ist völlig gestört ohne Tageslicht. Die einzigen Unterbrechungen sind die Essenszeiten, wobei es für manche Menschen schon schwierig ist, diese einzuhalten. Die Angebote z.B. der Erzieher, mit den Kindern (und Müttern) raus auf den Spielplatz zu gehen, werden kaum angenommen und es vergeht sehr viel Zeit, bis diese dann dem Wetter angemessen angezogen sind. Deutschstunden (für Kinder und Erwachsene) werden unregelmäßig bis gar nicht angenommen. Pünklichkeit ist eine deutsche Tugend und im Orient weniger wichtig. Außerdem darf man nicht vergessen, dass manche der Kinder bisher nur Krieg, Flucht und Flüchtlingslager erlebt haben. Eine Schule oder gar einen Kindergarten kennen sie nicht. Und die Eltern sind oftmals überfordert, sich mit ihrem Nachwuchs zu beschäftigen. Wenn ich ankomme, sind viele mit ihren Smartphones beschäftigt und finden meine Aufforderung zum Singen nicht besonders attraktiv.
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Steffi (Sonntag, 28 Februar 2016 08:38)
Schade, dass die Eltern euer Angebot zu einem Austausch so spärlich angenommen haben.
Wie verbleibt ihr denn jetzt? Wird es einen erneuten Versuch eines elternnachmittags geben?